Freitag, 4. Januar 2008

Es geht um fundamentalste Fragen

von Urs Gehriger, in WELTWOCHE Nr. 1.08, S. 24-31 (Link)

Noch vor kurzem schien die amerikanische Mission im Irak epochal gescheitert. Seit einem halben Jahr jedoch gehen Gewalt und Terror markant zurück. Der Architekt der politisch-militärischen Wende, General David H. Petraeus, erklärt exklusiv in der Weltwoche warum.

(...)

Im Gespräch mit Soldaten im Feld sind mir zwei Dinge aufgefallen: Erstens sind sie deutlich optimistischer als noch vor einigen Monaten. Gleichzeitig ist eine gewisse Frustration zu spüren. Sie sagen: «Wir wurden für den Kampf ausgebildet, und jetzt machen wir vor allem Nation-Build-ing.» Ist das die künftige Rolle der US-Streitkräfte?

Unsere Armee hat den Bodentruppen mit Nachdruck eine neue Idee auferlegt, die wir «Full Spectrum»-Operationen nennen. Das heisst:
Alle Operationen bestehen aus einem Mix von Offensive, Defensive sowie Stabilisierungs- und Unterstützungsoperationen.
Dies ist ein grosser Bruch mit der Vergangenheit. Als Befehlshaber des Combined Arms Center in Fort Leavenworth, Kansas, war ich massgebend an der Ausarbeitung der neuen Doktrin beteiligt. Wir unterzogen die Kampfausbildungszentren und alle Offiziersausbildungskurse einer Generalüberholung. Wir nahmen die ersten Lektionen, die wir im Irak gelernt hatten, in die Revision auf. Ich denke, diese Doktrin enthält, worauf wir uns künftig einstellen müssen. Beispiel ist das Marine Corps, das bereits nach der Idee eines Drei-Block-Kriegs funktioniert: Kämpfen – Stabilisieren – Aufbauen.
Es folgt der Idee, dass dieselben Truppen, die grössere Kampfoperationen durchgeführt haben, auch die Stabilisierungs- und Wiederaufbauoperationen durchführen.
Nation-Building ist also Teil des Pakets, das wir künftig zu leisten haben. Nation-Building ist etwas, was wir künftig noch viel öfter werden tun müssen.


Sie haben das Training und die Ausbildung der Armee-Offiziere in Fort Leavenworth geleitet. Zudem waren Sie federführend am Handbuch für die neue Anti-Guerilla-Strategie beteiligt. Wollen Sie die US-Armee einer kulturellen Revolution zu unterziehen?

Zuerst möchte ich festhalten, dass es beim Ganzen nicht um eine einzelne Person geht. Der Generalstabschef der Armee hat mich mit der Aufgabe beauftragt.
In der Tat ist ein grosser Kulturwandel im Gang.
Wir pflegten einst zu sagen: «Wenn du die ‹grossen Dinge› tun kannst, die grossen kombinierten Kampfoperationen mit High-Tech-Waffen, dann schaffst du auch die ‹kleinen Dinge›.» Dies hat sich als falsch erwiesen.
Als ich Ende 2005 aus dem Irak nach Fort Leavenworth kam, wusste jeder, vom Generalstabschef bis hinunter zum simplen Offizier, dass wir als Armee substanzielle Änderungen vornehmen müssen. Mein Vorgänger in Leavenworth, General William Wallace, hat den Terminus «Maschine des Wandels» für die gesamte Organisation geprägt. Auf allen Stufen arbeiten wir mit neuen Doktrinen, neuen Konzepten, die auch die Ausbildung unserer Offiziere neu definieren und schliesslich auch das Training unserer Truppen beeinflussen. All dies musste angepasst werden angesichts der Lektionen, die wir während der Operationen in letzten Jahrzehnten gelernt hatten.


Welche Lektionen?

Wir haben aus dem Irak viele Erfahrungen nach Hause gebracht, aber auch aus Zentralamerika und bis zu gewissen Teilen aus Orten wie Haiti, Bosnien und Kosovo. Es geht in erster Linie um ein gewachsenes Bewusstsein für den gewaltigen Einfluss von kulturellen, religiösen und ethnischen Faktoren.
Die Kenntnis des sogenannten «kulturellen Terrains» ist in vielen Fällen genauso wichtig wie die Kenntnis des «physischen Terrains».
Wir mussten uns diesen neuen Herausforderungen stellen, wenn wir Kriege gewinnen wollen.

(...)

weiterführende Literatur:
MILES KOSMOPOLITIS
MILES KOSMOPOLITIS - 8 Thesen
MILES KOSMOPOLITIS- Zwei Chancen
Lehrübung 'RAUMSICHERUNG' des Ausbildungszentrums Heer (AZH)

Link: sevenload.com

Keine Kommentare: